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Uwe Kiessler

Erinnerungen an Sep Ruf (18) – Uwe Kiessler (*1937)

Mit der durch die Olympischen Spiele München 1972 bewirkten neuen Dynamik und Weltoffenheit setzte in München um 1970 mit einigen jüngeren Architekten, darunter Uwe Kiessler, eine neue Entwicklung ein, die rigoros die Moderne vertritt. 1971–1976 schuf Kiessler in dem von Sep Ruf konzipierten Tucherpark den Verwaltungsbau für die Bayerische Rückversicherung. Das noble viergeschossige Ensemble mit kreisrunden gläsernen Glaspavillons passt sich harmonisch in die Parklandschaft ein und setzt die Dynamik und Offenheit der Bauten von Sep Ruf virtuos fort. Zum 100. Geburtstag von Sep Ruf 2008 erinnerte sich Uwe Kiessler an seine Studienzeit und wie Sep Rufs Bauten in prägten.

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Uwe Kiessler über Sep Ruf

Mit Sep Ruf habe ich weder studiert noch habe ich in seinem Büro gearbeitet. Meine Perspektive ist die des Architekturstudenten an der Technischen Universität – damals noch Technische Hochschule – Ende der 1950er-Jahre und später die des jungen Architekten Anfang der 1970er-Jahre. Wir bauten damals in dem von Sep Ruf für die Bayerische Vereinsbank konzipierten Tucherpark die Bayerische Rück, und Sep Ruf war in mehreren Begegnungen ein väterlich-kollegialer, äußerst hilfsbereiter Ratgeber. Außer der Ausnahmeerscheinung Döllgast prägten in den 1950er-Jahren Hart und Eichberg, Wiedemann und Ludwig das Bild der Fakultät. Lediglich der Spätbauhäusler Gustav Hassenpflug fiel mit seinem Lehrstuhl aus diesem Bild heraus. Seine frisch vom Studium am Illinois Institute of Technology in Chicago entzündeten Assistenten – besonders Peter C. von Seidlein – missionierten uns mit der Lehre Mies van der Rohes. Mies’ „Weniger ist mehr“ und Thomas von Aquins „Die Schönheit ist der Glanz des Wahren“ gehörten zu den Glaubenssätzen. Über Jahre hinweg füllten Entwürfe die Säle, die sich an die Crown Hall, das Mannheimer Nationaltheaterprojekt oder das Haus Farnsworth –Vorbilder aus einem fernen Paradies – anlehnten.

Und dann geisterte plötzlich der Pavillon der Bundesrepublik Deutschland für die Weltausstellung 1958 in Brüssel durch die Fachpresse. Das „Bauwelt“-Heft dieses Projekts lag unter unseren Kopfkissen, wir kannten jeden Winkel der Anlage auswendig. Und diese Architektur war in einem Nachbarland Deutschlands greifbar und der Mitverfasser neben Egon Eiermann war der in München tätige Sep Ruf. Nikolaus Pevsner hat 1971 in seinem Lexikon der Weltarchitektur die Maxburg als ein Vorbild für Europa, wie Altes und Neues ohne Kompromiss und doch harmonisch zusammenleben können, gepriesen. Und das Projekt ist auch ein schlagendes Beispiel dafür, wie entscheidend besonders bei so wichtigen Wettbewerben die richtige Besetzung der Jury ist. Den Vorsitz hatte Adolf Abel, bei dem Sep Ruf an der TH München Städtebau studiert hatte; das Wettbewerbsergebnis spricht für Lehrer und Schüler.

Sep Rufs Œeuvre ist von internationalem Rang. Gleichwohl, die sich von der Maxburgfassade teilweise lösenden Natursteinplatten waren für das damalige Münchener Architektur-Establishment willkommener Anlass, Sep Ruf zu diffamieren. Mit kaum verhohlener Schadenfreude wurde gezielt ›Ruf-Mord‹ betrieben. Begründung: die angeblich fehlende baumeisterliche Kompetenz. Aber in Wahrheit passte die ganze Richtung nicht. Und insoweit setzte sich hier – man muss es leider sagen – die Position der zurückliegenden Epoche fort. Jedenfalls blieben Sep Ruf die Türen der Technischen Universität und auch die der Bayerischen Akademie der Schönen Künste verschlossen. Und obwohl ihm 1980 nach Günter Behnisch als zweitem Architekten der Architekturpreis der Landeshauptstadt München verliehen wurde, hat er hier bis heute nicht die Anerkennung gefunden, die er verdient. München leidet noch immer an diesem gestörten Verhältnis zur Architektur der „Anderen Tradition“ – so der Titel einer Ausstellung. Sonst wären ja nicht das Versorgungsamt der Brüder Luckhardt abgerissen und das „Schwarze Haus“ jetzt zum Abriss freigegeben worden. Und sonst würde auch nicht der Olympiapark mit seinen Bauten immer wieder von Verschandelungen bedroht.

Neben Sep Rufs Bedeutung als Architekt ist vor allem auch seine Lehrtätigkeit hier in München an der Akademie der Bildenden Künste in der Zeit von 1953–1972 hervorzuheben. Er hat in dieser Zeit etliche Meisterschüler geformt – vor allem Ralph und Doris Thut, die 1967–1968 bei ihm studierten, und Otto Steidle, für dessen Entwicklung die Jahre 1968/69 bei Sep Ruf entscheidend waren.

Rufs 100. Geburtstag sollte uns daran erinnern, dass das von Jürgen Habermas so genannte Projekt der Moderne weiterhin große Anstrengungen erfordert – wenn wir mit dem, was wir tun, auf der Höhe der Zeit sein wollen.

Uwe Kiessler, Sep Ruf, in: Winfried Nerdingr, Sep Ruf. Moderne mit Tradition, München 2008, S. 196f.

>>> Vortrag von Uwe Kiessler zum 100. Geburtstag von Sep Ruf in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste 2008

Beitragsfoto: Deutscher Pavillon auf der Weltausstellung Brüssel, Sep Ruf und Egon Eiermann, 1958

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