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Max Daunderer

Erinnerungen an Sep Ruf (14) – Dr. Max Daunderer (1943–2013)

Max Daunderer, Internist und Toxikologe, gilt als Vorreiter der Umweltmedizin. Lesen Sie Max Dauners Erinnerungen über die von Sep Ruf erbaute Hugo-Junkers-Siedlung, die Sep Ruf selbst als sein »brillantestes Jugendwerk« bezeichnete, und über die Planung einer Psychosomatischen Klinik in Feldafing am Starnberger See.

Mein Vater führte mich in den 50er Jahren gerne zum Amerikanischen Konsulat in München am Englischen Garten und erklärte mir die Besonderheiten dessen Architekten, Sep Ruf, der einen futuristisch wirkenden Bau erstellt hatte. Er meinte, in 50 Jahren wird das noch als hypermodern empfunden werden. Er hielt Sep Ruf für den besten deutschen Architekten.

1974 hatte Sep Ruf einen Herzinfarkt mit Kammerflimmern und musste defibrilliert werden. Alles klappte ganz hervorragend. Ich war damals Notarzt und interessierte mich sehr für diese einmaligen Erfolge in der Medizin.

Eingebunden in die Planung des Chefarztes der Psychologischen Abteilung des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie, wo ich neben der Klinik eine Ausbildung in Verhaltenstherapie für Drogenabhängige absolviert hatte und als Chefarzt der neu zu bauenden Musterklinik für Verhaltenstherapie vorgesehen war, bewarb sich Sep Ruf, den Bau zu planen. Gemeinsam mit dem Psychiater Schwarz und dem Geldgeber Prof. Walter Herding, führte ich dann mit Sep Ruf und seinem Partner Hanns Oberberger die Planungen durch. Ganze Wochenenden füllten die Gespräche mit Sep Ruf über Probleme der Medizin, Verhaltenstherapie und frei machende Architektur für psychisch Kranke.

So entstanden Pläne mit Weitsicht von dem Standort am Starnberger See in die Alpen, welche Farbe bei welcher Krankheit hilft (grün bei Kolitis, gelb bei Depression), ob man gleiche Krankheiten in ein Zimmer zusammenlegen soll (nie!), welche Freizeitaktivitäten das Selbstvertrauen stärken, wie Krankenzimmer über den Balkon verbunden werden, wie Keller und Garten für den Sport genutzt werden können, ein Schwimmbad im Keller.

Die Besprechungen waren im Planungsbüro von Prof. Herding am Bavariaplatz, der Umtrunk am Abend im Alten Wirt mit Augustiner Bier in Grünwald. Unterwegs machten wir meist Halt in der Hugo-Junkers-Straße, seinem brillantesten Jugendwerk – wie Sep Ruf sagte. Wiederholt erzählte er mir die Besonderheiten:

Alle Häuser sind verbunden in einer Linie, zur Straße mit langen Fenstern, Mauern und Torbogen, Garage, im Garten mit Balken über dem Vordach, endend mit einer Kugel.

Zwar haben alle Häuser den gleichen Grundriss, sind aber symmetrisch versetzt.

Bögen über Türen wiederholen sich in Randleisten am Rand der Türen und an den Lichtschaltern und Steckdosen.

Wechsel zwischen gerader Linie und dazwischen Rundbögen.

In jedem Vorgarten eine große Linde, im Garten eine große Lärche, im Süden Birken wie eine Allee zur Südreihe der Häuser, ein Steingarten aus Sandgestein vom Isarhang.

Wein im Vorgarten an der Häuserfront und am Sitzplatz.

Rote Kieferplatten umzäunten die Beete.

Das Eckfenster im Süden – denkmalgeschützt – das erste »Deutsche Wohnzimmerfenster«.

Das Südfenster im zweiten Stock ist erstmalig ein Rundfenster, das Zeichen aller »Ruf Häuser«.

Der Kellerboden ist mit Lochziegeln ausgelegt für einen idealen Weinkeller.

Alle Zimmer hatten einen Anschluss an eine Hausklingel. Das Hausmädchen wohnte im zweiten Stock.

Weiß war die Farbe aller Häuser, Wände, Türen und Fenster. Sandstein der Flurboden.

Sep Ruf hatte erstmals als Architekt an alles seiner späteren Bewohner gedacht. Nur Hitler war mit ihm nicht zufrieden, da er nicht das »Germanische« verherrlichte, sondern das Leichte, Schwebende, zukunftsorientiert.

Sein Bauherr Hayo Folkerts, der Schwiegersohn von Hugo Junkers, ließ ihm stets frei Hand und freute sich über seine Detailgenauigkeit.

In Zusammenhang mit den Planungsgesprächen für den Klinikbau und seine Durchsetzung, die Klinik im Landschaftsschutzgebiet in Feldafing errichten zu dürfen, war nur dank seiner Zielstrebigkeit und Detailliebe möglich. Es war faszinierend, einen solchen einmaligen Mann erleben zu dürfen.

Wir hatten viel Freude miteinander. Als er das erste Mal in meinen Kleinbus mit weiß-blauen Vorhängen einstieg und ich die Zündung andrehte, ertönte laut der Bayerische Defiliermarsch.

»Was is des?«, fragte er mich. Ich antwortete in Hinblick auf seine kurz vorher erfolgte Wiederbelebung: »Der bayrische Defibrilliermarsch, Här Professchor«. Wir lachten lauthals. Unser Verhältnis blieb sehr herzlich.

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>>> Hugo-Junkers-Siedlung

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Beitragsfoto: Hugo-Junkers-Siedlung, 1936


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