Erinnerungen an Sep Ruf (13) – Ernst Maria Lang (1916–2014)
Ernst Maria Lang war Architekt und zählt zu den bekanntesten deutschen Karikaturisten der Nachkriegszeit. Von 1965 bis 1971 war er Landesvorsitzender des Bund Deutscher Architekten Bayern und 20 Jahre von 1971 bis 1991 Präsident der Bayerischen Architektenkammer. Als junger Architekt war Sep Ruf für ihn »der Architekt für eine moderne Zukunft der Baukultur«. In seiner Autobiografie »Das wars, wars das?« erinnert sich Ernst Maria Lang an Begebenheiten mit Sep Ruf, beispielsweise an die Eröffnung des Olaf Gulbransson Museums in Tegernsee. Ein Auszug:
Zu Hause fand ich die Einladung zur Eröffnung des Olaf-Gulbransson-Museums auf meinem Zeichentisch. Dagny, die Witwe des großen Olaf vom Schererhof über dem Tegernsee, hatte mit Umsicht und Energie und mit Hilfe der alten Freunde die Gründung der Olaf-Gulbransson-Gesellschaft realisiert. Sep Ruf entwarf das Museum für Olafs Werke und für Kunstaustellungen aus Bereichen, in denen die Darstellung des Lebens kritisch und satirisch akzentuiert sind. Der Plan, das Museum zu bauen, wurde vom Bayerischen Kultusministerium mit allen finanziellen Konsequenzen gefördert. Als Schutzpatron für das Vorhaben stellte sich Bundeskanzler Erhard zur Verfügung – auch als Bauherr und Freund von Sep Ruf.
Der Bundeskanzler und sein Architekt hatten die Kuppe des Ackerbergs über dem nördlichen Ufer des Tegernsees bei Gmund als Platz für ihre zwei Wohnhäuser ausgewählt. Im erbitterten Kampf um die Genehmigung des Zwillingspavillons in dieser ungewöhnlichen und landschaftlich bevorzugten Lage hatte der BDA kräftige Schützenhilfe geleistet. Schließlich ging es darum, im Tegernseer Tal, in dem seit der Jahrhundertwende im sogenannten Lederhosenstil und im »Gelsenkirchner Barock« gebaut wurde, ein vorbildliches Beispiel moderner Architektur durchzusetzen.
Das Olaf-Gulbransson-Museum, ein konsequent moderner, schöner Bau im gemeindlichen Park, profitierte vom Sieg in der »Schlacht um den Ackerberg«. Die Eröffnungsfeier fand im »Bayernsaal« vor prominentem Publikum statt. Der Bundeskanzler und der bayerische Ministerpräsident sorgten mit ihren Reden für den Glanz der Veranstaltung. Beide bemühten sich, staatsmännische Würde mit Toleranz zu verbinden und als aktuelle Opfer von Karikaturisten Verständnis für Satire durchblicken zu lassen. Olaf Gulbransson habe bei aller Kritik niemals beleidigt oder verletzt, sagten sie unisono und meinten, daß sich die aktiven Karikaturisten ein Beispiel daran nehmen sollten. Danach stand ich als Sprecher der Karikaturisten auf dem Programm. Es kam mir darauf an, den großen Olaf von solchem Lob zu befreien, das ihn zu einem Satiriker ohne Biß gemacht hätte. Die Darstellung der Zielfiguren seiner Kritik sei zwar messerscharf und von beißender Komik gewesen, aber ihre meisterhafte Ästhetik war ein Heilpflaster auf die schmerzende Wunde, korrigierte ich meine zwei Vorredner. Während mein Plädoyer mit herzlichem Beifall bedacht wurde, schaute der Kanzler wie ein muffiges Kind geradeaus, und der Ministerpräsident schickte seinen Blick gelangweilt zum Plafond.
Nach der Feier und der Besichtigung des Museums war noch ein kleiner Kreis aus der Olaf-Gulbransson-Gesellschaft zum Kaffee im Schererhof geladen. Mit Erhard saß ich zu einem Gespräch zu zweit in einer gemütlichen Ecke. Bei dieser Gelegenheit erschreckte ich ihn mit dem ernsthaften Vorwurf: »Sie haben eine schlimme Entwicklung eingeleitet mit ihrem Wahlslogan ›Wohlstand für alle‹.« »Aber das ist doch etwas Gutes für die Menschen«, sagte er und riß die hellblauen Augen auf. »Ja, wenn Sie noch einen Satz angeführt hätten«, fuhr ich fort. »Und der wäre?« fragte er. »Wohlstand für alle – die ihn sich ehrlich verdienen«, war meine Antwort. Aber ohne diesen Zusatz waren nun alle, Kreti und Pleti, auf den Wohlstand, und wenn er nicht kommt, dann werden sie böse und fordern ihn ein«, fügte ich hinzu. Die dicken Backen fielen ein, und das Mündchen stand ratlos offen. An der kleinen Nase hing ein Tropfen, der im Gegenlicht glitzerte. Jetzt tat mir der Mann leid.
Ernst Maria Lang, Das wars, wars das? – Erinnerungen, München, Zürich 2000, S. 436–438
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Beitragsfoto: Sep Ruf und Ernst Maria Lang, 1978
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