Freitag, 12. April 2019, 15 Uhr
Besichtigung Hauskapelle Marienheim (1950; 1952–1954)
Schellingstraße 47, 80799 München
Für den katholischen Mädchenschutzverein schuf Sep Ruf ein Wohnheim mit einer kleinen, 1954 geweihten Hauskapelle, die verborgen in einem intimen Garten in der Maxvorstadt liegt und deswegen kaum bekannt ist. Die von Sep Ruf noch unter Kardinal von Faulhaber begonnene Planung wurde ab 1952 von Kardinal Wendel betreut, dies führte zu einem Bruch mit traditionellen Raumkonzepten, da nun einige liturgische Reformbestrebungen zum Tragen kamen. Den nur etwa 36 Quadratmeter großen Andachtsraum fasste Ruf hufeisenförmig mit einer Mauer ein und verglaste die Eingangswand. Acht Stahlstützen tragen das über einem umlaufenden Oberlichtband auskragende Dach. Das Kruzifix ist von der Decke abgehängt und der Altar besteht nur aus einem beweglichen Tisch mit vier Metallbeinen und einfacher Holzplatte. Akzentuiert ist der Altarbereich durch ein flaches Podest und ein Oberlicht.
Rufs Konzeption gehört somit in den Zusammenhang der wegweisenden Neuerungen im Sakralbau des 20. Jahrhunderts, die in den 1920er-Jahren von Rudolf Schwarz und dem Religionsphilosophen Romano Guardini ausgingen. Auf Burg Rothenfels setzte Schwarz die neuen liturgischen Gedanken Guardinis erstmals architektonisch in einen „reinen“ schmucklosen Raum um. Er experimentierte mit neuen Raumordnungen, indem er die Gemeinde in einer Halbkreis- oder Hufeisenform um einen einfachen, auf gleicher Ebene stehenden Altartisch versammelte. Damit sollte wieder an Urformen der kirchlichen Gemeinde und Liturgie angeknüpft werden. 1948 erhielt Guardini einen Ruf an die Ludwig-Maximilians-Universität München für Christliche Weltanschauung, Religions- und Kulturtheorie und vermittelte dort auch die neuen Vorstellungen. Ruf hatte Schwarz 1946 und 1948 bei den Tagungen zum Wiederaufbau auf Burg Aulendorf sowie beim „Darmstädter Gespräch“ 1951 kennengelernt. Es ist anzunehmen, dass der tiefreligiöse Ruf sich mit den Reformideen von Guardini und Schwarz auseinandersetzte, die er später mit dem aus einer saarländischen Architektenfamilie stammenden Theologen Aloys Goergen, der aus dem Kreis Guardinis kam, vertiefte.
Mit der kleinen Hauskapelle regte Ruf in München die Diskussion um eine neue Form der Kirchengemeinde, die im Zentrum der Liturgischen Bewegung stand, an. Einige Motive – wie das auskragende Dach, die Lichtkuppel und die gerundete Rückwand – verweisen bereits auf die Pfarrkirche St. Johann von Capistran.
Die Hauskapelle steht seit 2009 unter Denkmalschutz.
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